Thursday, 25. October 2007

A la recherche des champs perdus

Marcel versucht in den Straßen Venedigs einen besonders schönen Platz wiederzufinden, auf den er am vorigen Abend zufällig gestoßen war:

Ich folgte den "calli", die sich alle glichen und mir jeglichen Hinweis verweigerten, es sei denn, sie gaben ihn mir, um mich um so mehr in die Irre zu leiten. Manchmal weckte irgendein Indiz, das ich undeutlich zu erkennen glaubte, in mir die Hoffnung, ich werde den schön exilierten Campo in seiner Abgeschlossenheit, Einsamkeit und Stille dennoch wiederfinden. Im gleichen Augenblick aber brachte mich ein böser Genius in Gestalt einer neuen "calle" auf den Gedanken, meinem Instinkt entgegen umzukehren; plötzlich befand ich mich wieder am Canale Grande. Da aber zwischen der Erinnerung an einen Traum und der Erinnerung an eine Wirklichkeit kein großer Unterschied besteht, fragte ich mich schließlich, ob nicht während meines Schlafes in einem düsteren Stück venezianischen Kristalls der seltsamm verschwimmende Einschluss eines von romantischen Plätzen umgebenen Platzes mir erschienen und von mir in meine Mondscheinmeditationen hinübergenommen wäre.
 -- Die Entflohene, Bd. 3/3, S. 3642

Zum einen ist es hier das Phänomen der aussichtslosen Suche nach einem vergangenen Idealbild, welches an diesem Abschnitt begeisternd und auch für den Roman als Ganzes bezeichnend ist.

Aber viel mehr noch weckt die Passage bei mir die Erinnerung an eine Zeit vor vielen Sommern, da ich selbst mit luzidem Träumen oder Klarträumen experimentierte. Ziel ist es dabei, im Traum sich über den Zustand des Träumens bewusst zu werden und daraufhin eine Form von Kontrolle über das Geschehen zu gewinnen. Tatsächlich ist so etwas nicht unbedingt schwierig, Mittel zum Zweck ist dabei jedoch eine tiefgreifende Verwirrung des Bewusstseins über seinen momentanen Zustand. Fragt man sich regelmäßig, ob man nicht vielleicht im Moment doch träumt, beginnt man irgendwann ernsthaft an der Welt um sich herum zu zweifeln. Nicht nur ist dies eine Form des skeptischen Traumarguments, es ist auch der Gemütszustand, in dem sich der Erzähler in dem Moment dieser Episode zu befinden scheint.

Fragt sich nur: warum hat er nicht auf einem Stadtplan nachgesehen?
Marcel tries to find the way through the streets of Venice back to a particularly beautiful square he had stumbled across the night before:

I followed calli which were exactly alike one another and refused to give me any information, except such as would lead me farther astray. Sometimes a vague landmark which I seemed to recognise led me to suppose that I was about to see appear, in its seclusion, solitude and silence, the beautiful exiled piazza. At that moment, some evil genie which had assumed the form of a fresh calle made me turn unconsciously from my course, and I found myself suddenly brought back to the Grand Canal. And as there is no great difference between the memory of a dream and the memory of a reality, I ended by asking myself whether it was not during my sleep that there had occurred in a dark patch of Venetian crystallisation that strange interruption which offered a vast piazza flanked by romantic palaces, to the meditative eye of the moon.
 -- The Fugitive

For one thing it's the phenomenon of a futile search for a lost ideal which is interesting here and also significant to the novel as a whole.

But much more the passage inspires in me the memory of a time long ago, when I experimented with lucid dreaming. The aim of lucid dreaming is to gain consciousness about the state of dreaming while asleep and thus sort of control what's going on. In fact this is not overly difficult, the means employed, though, is a thorough confusion of your consciousness about your momentary state. Once you begin to wonder, on a regular basis, whether it might be possible that you're actually dreaming at the very moment, you inevitably begin to doubt the world around you. This is not only a form of the sceptical "dream argument", also this seems to be the state of mind the narrator is in at the point of this episode.

The only question is: why didn't he take a look on a city map?

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