Tuesday, 18. December 2007

Impressionismus

Ich habe einige Stellen übersprungen, dich sicher genauso einer Erwähnung wert gewesen wären, um heute das folgende Credo der impressionistischen Literatur zu zitieren. Marcel hatte beim Lesen des Tagebuches der Goncourt schwer an seinen literatischen Fähigkeiten gezweifelt, die ihm so ungeeignet zur exakten Beschreibung der Abendgesellschaften schienen (was, frage ich Sie, ist denn dann exakt?). Bis...

Wenn ich außer dem Hause zu Abend aß, sah ich nicht die Tischgenossen, weil ich sie vielmehr, wenn ich sie zu betrachten meinte, im Grunde durchleuchtete. [...] Aber nahm das meinen Porträts, die ich ja doch gar nicht mal als solche ausgab, nun wohl jeden Wert? Muß auf dem Gebiet der Malerei das eine Bildnis etwa, das gewisse auf den Umriß, das Licht, die Bewegungen bezügliche Wahrheiten augenfällig macht, deshalb unbedingt einem anderen, ihm keineswegs ähnlichen der gleichen Person nachstehen, in dem tausend Einzelheiten, auf welche es selbst verzichtet hat, bis ins kleinste genau aufgezeichnet sind, einem zweiten Bildnis, aus dem man schließen kann, dass das Modell bezaubernd gewesen ist - während man es nach dem ersten für hässlich gehalten hatte - worin eine dokumentarische und sogar historische Wahrheit liegen mag, die aber nicht notwendigerweise auch künstlerische Wahrheit bedingen muss?
-- Die wiedergefundene Zeit, Bd. 3/3, S.3736

Die Antwort lautet natürlich nein. Aber liegt nicht auch in dem ersteren Bildnis eine dokumentarische Wahrheit, eine die sich nur einer naiven Betrachtung zunächst entzieht? Gerade dieser dahinterstehende Eindruck wird es sein, der uns nach weiteren 200 Seiten (wo ich gerade mit dem Lesen feststecke bis die Episoden hier im Blog aufgearbeitet sind) meine bisher ultimative Lieblingsbeobachtung der Recherche bescheren wird (darum ist es auch nicht so schade, wenn ich diese jetzt zum vierten Mal aufs neue lese und mich nicht von ihr lösen kann).
I left out some parts that would certainly have been worth mentioning in order to today quote the following credo of impressionist literature. Marcel had, while reading the Goncourt diary, very much doubted his literary skills, which seemed so unfit to exactly describe the soirees Goncourt talks about (now what, if not Marcels description, is exact then, I ask). Until...

I did not see the guests because when I thought I was observing them I was radiographing them. From that it resulted that in collating all the observations I had been able to make about the guests in the course of a dinner, the design of the lines traced by me would form a unity of psychological laws in which the interest pertaining to the discourse of a particular guest occupied no place whatever. But were my portraits denuded of all merit because I did not compose them merely as portraits? If in the domain of painting one portrait represents truths relative to volume, to light, to movement, does that necessarily make it inferior to another quite dissimilar portrait of the same person in which, a thousand details omitted in the first will be minutely related to each other, a second portrait from which it would be concluded that the model was beautiful while that of the first would be considered ugly, which might have a documentary and even historical importance but might not necessarily be an artistic truth.
-- Time Regained

The answer is, obviously, no. Doesn't there even lie in the former portrait a documentary truth, one which evades a first and naive observation? Exactly this profound impression it will be, that after some 200 pages (where I'm currently stuck with reading until the episodes are posted here) allows us my up to this point ultimately favourite observation in the Recherche (which is why it's not all too bad I'm stuck and will read it for the fourth time before I can move on).

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