Sunday, 24. September 2006

The answer my friend, is blowing in the wind

[Charlus:] "Es erstaunt mich in der gleichen Weise, als träfe ich jemanden, der Whistler gekannt hat und dennoch nicht weiß, was Geschmack ist."
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3156

Dies könnte ein kleiner Hinweis sein auf ein Wortspiel des Autors: es wird allgemein angenommen, dass Elstir für den tatsächlich existenten US-amerikanischen Maler James Whistler steht, auch weil die sechs letzten Buchstaben von Whistler tatsächlich Elstir ergeben (so wie manche behaupten, Albertine Simonet sei ein Querverweis auf den Maler Monet).

Tatsächlich haben einige Bilder Whistlers Elstirsche Qualitäten, doch sehen Sie selbst:


[Charlus:] "It surprises me as much as if I met a person who had known Whistler and remained ignorant of what is meant by taste."
-- The Captive

This could be a hint to a litte word-play the author has up his sleeve: it is widely accepted that Elstir is indeed the very real American painter James Whistler, also because the last six letters of Whistler form the name Elstir (the same way in which some people claim, Albertine Simonet presents a link to the painter Monet).

In fact, some of Whistler's paintings do have Elstir-like qualities, but see yourself by clicking on the thumbnails above.

Friday, 22. September 2006

Involuntary Idyll

An dem Lächeln [...] erkannte ich, dass Brichot [...] jenem unwirklichen Teil [des alten Salons] nachtrauerte [...]: ich meine jenen Teil nämlich, der sich von der äußeren Welt losgelöst hat, um eine Zuflucht in unserer Seele zu finden, die durch ihn einen Wertzuwachs erhält, wenn er sich mit ihrer sonstigen Substanz vermischt und sich [...] in jenen durchscheinenden Alabaster unserer Erinnerung verwandelt, dessen Farbton wir nicht vermitteln können.
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3132f

Wie Brichot, dem alten Gelehrten, ging es mir kurz nachdem ich mit der Lektüre der Recherche begonnen hatte, als ich nach langer Abwesenheit wieder ins Dörfchen E. zurückkehrte, wo ich in meiner frühen Kindheit viele Wochenenden in der Ferienwohnung meiner Eltern verbracht hatte.

Es ist nicht, dass sich das Dörfchen so gefunden hätte, wie es einst gewesen war. Vieles war abgerissen, neu gebaut oder vielleicht noch da, aber doch meiner Erinnerung entschwunden.

Und doch - ich erkannte es wieder und der Eindruck war bleibend. Manchmal, wenn ein Weg sich durch Wiesen über eine Kuppe schlängelt ist es mir, als stünde ich über E. - ein Fall von unwillkürlicher Erinnerung?
From his smile [...] I understood that what Brichot, perhaps without realising it, preferred in the old room [...] was that unreal part, that part which has detached itself from the outer world, to take refuge in our soul, to which it gives a surplus value, in which it is assimilated to its normal substance, transforming itself [...] into that translucent alabaster of our memories, the colour of which we are incapable of displaying, since we alone see it.
-- The Captive

Like Brichot, the old scholar, I did feel shortly after starting to read the Recherche, when, after a long absence, I returned to the village of E., where during my early childhood I had spent many weekends in my parents' holiday home.

It is not that I would have found the village in the very state it had once been in. Much had been torn down or newly constructed or maybe it had been still there, yet lost from my memory.

Still - I did recognize it and the impression was permanent. Sometimes, when an errand meanders through meadows and over a knoll I feel like I stood above E. - a case of involuntary memory?

Monday, 18. September 2006

Impression, étoile levant

Ein längerer Ausschnitt, aber lesen Sie weiter, es lohnt sich (versprochen! besonders der letzte Teil enthält eines der schönsten Proust-Zitate überhaupt)...

Aber werden dann diese Elemente, dieser wirklich vorhandene Bodensatz, den jeder notgedrungen bei sich behalten muss, da er im Gespräch von Freund zu Freund, vom Schüler zum Meister, vom Liebenden zur Geliebten sogar nicht mitgeteilt werden kann - wird dieses Unaussagbare, das jeweils gerade dem seine besondere Nuancierung verleiht, was jeder von uns empfindet, aber dennoch auf der Schwelle der Äußerungen zurücklassen muss, durch welche er mit anderen nur insoweit in Beziehung zu treten vermag, als er sich auf äußere, allen gemeinsam zugängliche, bedeutungslose Dinge beschränkt, nicht erst durch die Kunst zutage gefördert - die eines Vinteuil ebensogut wie die eines Elstir - sobald diese in den Farben des Spektrums die innere Struktur jener Welten nach außen hin sichtbar macht, die wir als Individuen bezeichnen und die wir ohne die Kunst nie kennenlernen würden? Flügel und eine von der unseren verschiedene Art von Atmungsapparat, die uns erlauben würden, den unendlichen Raum zu durchmessen, würden uns nichts nützen, denn wenn wir Mars oder Venus besuchten und doch die gleichen Sinne behielten, so würden diese alles, was wir sehen könnten, mit dem gleichen Aspekt umkleiden wie die Dinge der Erde. Die einzig wahre Reise, der einzige Jungbrunnen wäre für uns, wenn wir nicht neue Landschaften aufsuchten, sondern andere Augen hätten, das All mit den Augen eines anderen, von hundert anderen betrachten, die hundert verschiedenen Welten sehen könnten, die jeder einzelne sieht, die jeder von ihnen ist; das aber vermögen wir mit einem Elstir, mit einem Vinteuil und allen, die ihresgleichen sind, wir fliegen dann wirklich von Stern zu Stern.
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3095f

Stellen Sie diese Passage neben eine Monet-Sonderausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart (die ich vorigen Samstag das Glück hatte zu besuchen). Treten Sie einige Schritte zurück. Was für eine Wirkung!

Mit den Bildern von Monet ging es mit tatsächlich zum ersten Male so, wie Proust hier die Wirkung von Vinteuils Septett beschreibt: sie lassen den Betrachter die Welt mit anderen Augen sehen.

Monet malt ganz alltägliche Szenen: Landschaften, Gärten -- viele davon dutzende Male bei verschiedenem Licht und aus verschiedenen Perspektiven. Das wirklich Spannende daran ist seine Art die Dinge zu sehen und zu malen: die Gegenstände verschwimmen darin zu reinem Eindruck, zu reinen Farben, zu reinem Licht. Die einzelnen Objekte spielen kaum eine Rolle, sie sind dem Gesamteindruck untergeordnet. Sehen Sie sich nur einmal dieses Bild aus der Staatsgalerie an uns lassen Sie es auf sich wirken. Die Blätter der Bäume sind hier mit einem dunkelblauen Schatten durchsetzt - nicht, weil ein Baum je auch nur für einen Moment dunkelblau wäre, sondern weil der Gesamteindruck von sich vor einem blauen Himmel drehenden Blättern ein Dunkelblau ergibt. Oder sehen Sie diese junge Dame, bei der Kleid wie Schleier mit den Wolken zu einer Einheit verschmelzen.

Ich muss zugeben: ich sehe die Dinge normalerweise nicht so. Ein Baum ist grün, und ein Kleid ist ein Kleid. Durch Monets Bilder, zu deren Bedeutung in Prousts Werk auch eine PDF-Datei hier erhältlich ist, wird es aber möglich, die Welt ein wenig durch des Malers Augen zu sehen -- zauberhaft.

Tatsächlich vereint die obige Passage außerdem diese und jene zu einer Gesamtdarstellung des Themas Individualität / subjektive Weltwahrnehmung / Kunst.

Und sie bleibt eine der zauberhaftesten Stellen des impressionistischen Romans überhaupt.
It's a lengthy excerpt, but don't hesitate: read on, it's worth it (I promise! especially the last part has one of the most beautiful Proust quotes ever)...

But is it not the fact then that from those elements, all the real residuum which we are obliged to keep to ourselves, which cannot be transmitted in talk, even by friend to friend, by master to disciple, by lover to mistress, that ineffable something which makes a difference in quality between what each of us has felt and what he is obliged to leave behind at the threshold of the phrases in which he can communicate with his fellows only by limiting himself to external points common to us all and of no interest, art, the art of a Vinteuil like that of an Elstir, makes the man himself apparent, rendering externally visible in the colours of the spectrum that intimate composition of those worlds which we call individual persons and which, without the aid of art, we should never know? A pair of wings, a different mode of breathing, which would enable us to traverse infinite space, would in no way help us, for, if we visited Mars or Venus keeping the same senses, they would clothe in the same aspect as the things of the earth everything that we should be capable of seeing. The only true voyage of discovery, the only fountain of Eternal Youth, would be not to visit strange lands but to possess other eyes, to behold the universe through the eyes of another, of a hundred others, to behold the hundred universes that each of them beholds, that each of them is; and this we can contrive with an Elstir, with a Vinteuil; with men like these we do really fly from star to star.
-- The Captive

Put this passage next to a Monet exhibition at Staatsgalerie Stuttgart (which I was happy enough to visit last Saturday). Step back. What an effect!

With Monet's paintings for the first time I actually felt the way Proust here describes the effect of Vinteuil's Septett: they let the contemplator see the world with different eyes.

Monet paintings are quite banal: landscapes, gardens -- many of them a dozen times with different light of different perspectives. What is really interesting about them is his way of seeing and painting things: objects become indistinct into pure impression, pure color, pure light. The individual object rarely does play any role, it is subordinate to the overall impression. Just have a look at this painting from Staatsgalerie and let it sink in. The leaves of the trees are pervaded by a dark blue shadow - not because any tree ever really was dark blue for a second, but because the overall impression a tree with leaves turning in front of the blue sky is dark blue. Or take a look at this young Lady, whose dress and veil merge with the clouds to what we could call an integrative impression.

I must admit: usually I don't see things this way. A tree's green and a dress is just a dress. But Monet's paintings make it possible to see the world with the artist's eyes -- plain magic.

As a matter of fact, the passage combines this one and that one to an overall view of the theme individuality / subjective world view / art.

And it remains one of the most magical moments of impressionist literature.

Thursday, 14. September 2006

Distinction

[Er gibt Antwort in einem] Ton, dem bestimmten Tonfall Vinteuils, getrennt von dem anderer Komponisten durch einen weit größeren Unterschied, als wir ihn zwischen den Stimmen zweier Personen oder sogar zwischen dem Brüllen und dem Schrei zweier Tierarten wahrnehmen können.
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3093

Wieder eine Stelle, an dem das - wie er mir scheint - Hauptthema des Romans aufgegriffen wird: Suche nach dem Selbst, das Geheimnis der Individualität.

Wenn der Unterschied zwischen mir und Ihnen in diesem Moment vermutlich nicht größer ist als jener zwischen mir heute und mir in 20 Jahren - warum spricht man dann im zweiten, jedoch nicht im ersten Fall von ein und derselben Person?

Hier ist als ein Ausweg aus dieser Frage die Kunst dargestellt: es gibt etwas, das in der Musik, die Marcel hier hört, unverkennbar Vinteuil ist. Wie schade, dass wir nicht alle Künstler sind.
The accent of Vinteuil is separated from the accents of other composers by a difference far greater than that which we perceive between the voices of two people, even between the cries of two species of animal.
-- The Captive

Another passage that deals with what seems to me the main theme of the novel: search for the self, the secret of individuality.

If the difference between you and me in this very moment likely is not bigger than that between me now and me in 20 years - why then do we speak in the second, yet not in the first case of the same person?

Here something is presented that can answer this question: there is something in the music Marcel listens to, that is distinctively Vinteuil. What a pitty we aren't all artists.

Monday, 11. September 2006

Arzt, heile dich selbst

Monsieur Verdurins Grobheit hatte zur Folge, dass die Männer in der Garderobe alle anderen Personen vor Saniette bedienten. [...] Indessen hielt Madame Verdurin großen Kriegsrat mit Cottard und Ski.
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3055

Und wenige Seiten später, am selben Abend noch, lässt sich Marcel zu folgendem Zwischenruf im Gespräch mit Madame Verdurin hinreißen:

"Schließlich aber hat ein Schüler Cottards..." - "Oh! Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen doch meine Teilnahme aussprechen, er ist wirklich sehr schnell dahingerafft worden, der arme Professor!" - "Ja, aber was wollen Sie, er ist gestorben, wie alle Menschen sterben."
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3073

Was daran wirklich verwunderlich ist, ist weniger die Tatsache, dass Marcel ungewöhnlicherweise einmal aktiv an der Konversation teilnimmt -- vielmehr scheint Cottard sich, weder tot noch lebendig, in einer Art Zwischenzustand zu befinden.

Noch erstaunlicher ist es, auch noch die untenstehende Übersetzung des zweiten Ausschnittes, wie sie in der englischen Moncrieff-Ausgabe veröffentlicht ist, zu lesen: hier ist der Zwischenruf des Erzählers völlig ausgelassen worden.

Das ist die erste wirklich auffällige Inkonsistenz in einem Teil des Romans, den Proust vor seinem Tod nicht mehr überarbeiten konnte. Während manche Unmöglichkeiten im zeitlichen Verlauf (wie zum Beispiel die unmenschlich lange Lebenszeit der Odette) noch als Stilelemente gelten können, wird er das hier wohl nicht gewollt haben. Ob Moncrieff deshalb eine andere Version als die deutsche gewählt hat?

Nachtrag: Es wird noch seltsamer. Gegen Ende der Abendgesellschaft bei den Verdurins:

So sagte an dem Abend, als die Gastgeber allein zurückgeblieben waren, Monsieur Verdurin zu seiner Frau: "Weißt du auch, weshalb Cottard nicht gekommen ist? Er ist bei Saniette."
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3188

Saniette hatte die Abendgesellschaft vorzeitig verlassen und kurz darauf einen Schlaganfall erlitten. Der Doktor - tot oder lebendig - muss ihm zu Hilfe geeilt sein. In der englischen Übersetzung von Moncrieff heißt es darum auch nicht (fälschlicherweise?) "nicht gekommen" sondern "gegangen" ("You know where Cottard has gone?").
The effect of M. Verdurin’s rudeness was that the servants in the cloakroom allowed other guests to take precedence of Saniette. [...] Meanwhile Mme. Verdurin was busily engaged with Cottard and Ski.
-- The Captive

And few pages later, the same evening still, Marcel engages in a conversation with Mme. Verdurin, which, in the German edition, reads like this:

"However, one of Cottard's pupils..." - "Oh! I would like to express my condolences, he was carried off real fast, the poor professor!" - "Yes, but that's how it is - he died the way everybody dies."
-- The Captive, German translation

What's interesting about this is not so much the unusual fact that Marcel does activly take part in a conversation -- it is that Cottard, neither really dead nor alive, seems to be in some kind of zombie status.

Yet more funny it gets if you also read the Moncrieff translation of this second excerpt: here the interjection by the narrator has been left out completely:

"However, one of Cottard’s pupils, a charming person, has been treating me for it. He goes by quite an original rule: ‘Prevention is better than cure.’ And he greases my nose before the music begins."
-- The Captive

This is the first obvious inconsistency in a part of the novel that Proust couldn't revise before his death. While some impossibilities in the temporal order (like, for instance, the overly long life of Odette) can be counted as stylistic instruments, this he probably wouldn't have wanted. Is this the reason why Moncrieff chose another version of the story than the German translator?

addendum: Moncrieff once again has a more consistent version of the story when he writes:
When the host and hostess were by themselves, M. Verdurin said to his wife: "You know where Cottard has gone? He is with Saniette."
-- The Captive

Saniette had left the soiree early and shortly afterwards suffered a stroke. Doc Cottard - dead or alive - had obviously come to help him. In the German translation Verdurin (misleadingly) says "You know why Cottard didn't come?" instead.

Monday, 28. August 2006

Die Schatzsucher

Lieber Charles ..., so wenig ich Sie kannte, als ich noch jung war, Sie aber schon dem Grabe zuwankten, fängt man doch wohl deshalb, weil derjenige, den Sie damals sicher für einen unbedeutenden jungen Toren hielten, Sie zum Helden seiner Romane auserkoren hat, jetzt wieder von Ihnen zu reden an, und nur daraufhin werden Sie vielleicht weiterleben. Wenn man Sie sich auf dem Gemälde von Tissot, wo Sie zwischen Galliffet, Edmond de Polignac und Saint-Maurice auf dem Balkon stehen, zeigt und viel von Ihnen spricht, so deshalb, weil man bemerkt hat, dass einige Züge von Ihnen in die Persönlichkeit von Charles Swann eingegangen sind!
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3016f

Der nächste väterliche Gigant -- ich muss zugeben, ich hatte ihn fast vergessen, nachdem von seiner Krankheit die Rede gewesen war -- ist von dieser Welt gegangen. Weitaus faszinierender ist aber wohl, dass er tatsächlich einmal gelebt hat.

Zuerst dachte ich, die obige Bemerkung mit dem Gemälde sei vielleicht reine Fiktion und es gäbe überhaupt keinen Tissot. Tatsächlich gab es ihn aber, und er ist ein -- wenn auch nur wenig bekannter -- französischer Maler.

Eines seiner Gemälde zeigt auch tatsächlich Herren "auf dem Balkon": Le Balcon du Cercle de la rue Royale. Und einer davon, welcher, weiß ich leider nicht zu sagen, ist ein gewisser Charles Haas, über den es leider nur eine französische Wikipedia-Seite gibt.

Obwohl ich kein Französisch verstehe, scheint Charles Haas sehr gut zu passen in die Figur des Swann. Allein schon sein Geburtsjahr machen ihn zu einem möglichen väterlichen, fast großväterlichen Freund des Autors.

Oh, und natürlich tut Proust da etwas, das ein Autor normalerweise nicht machen würde, wenn er diese Zeilen schreibt, über Dinge, die normalerweise hinter dem Vorhang verborgen bleiben. Wie immer.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht... vielleicht ist das alles nichts Neues für Sie. Aber ich habe mich ein bisschen wie ein Schatzsucher gefühlt, als ich das Bild von Tissot entdeckt habe --
My dear Charles ----, whom I used to know when I was still so young and you were nearing your grave, it is because he whom you must have regarded as a little fool has made you the hero of one of his volumes that people are beginning to speak of you again and that your name will perhaps live. If in Tissot’s picture representing the balcony of the Rue Royale club, where you figure with Galliffet, Edmond Polignac and Saint-Maurice, people are always drawing attention to yourself, it is because they know that there are some traces of you in the character of Swann.
-- The Captive

The next fatherly giant -- and I must admit I had almost forgotten him after we had heard from his disease -- has left the world. Much more fascinating is it, though, that he in fact has lived once.

My first thought was, that the notion about the painting might be pure fiction and that the painter Tissot might not even exist. In fact, he does. Tissot is a -- not very well-known, thought -- French painter.

One of his paintings really shows gentlemen "on a balcony": Le Balcon du Cercle de la rue Royale. One of them, which I admit I cannot say, is Charles Haas, about whom there's only a French entry on Wikipedia.

Now although I don't understand any French, Charles Haas seems to fit very well into what we know about Swann. His year of birth already makes him a possible fatherly, nearly grandfatherly friend of the author.

Oh, and of course Proust does something an author normally wouldn't do when he writes these lines about things that usually stay behind the curtain. As always.

I don't know how you feel... maybe that's nothing new for you. But I did feel like a treasure hunter a bit when I found that Tissot painting --

Sunday, 27. August 2006

Mr Beckett's voluntary memory

Dann aber, um mir Adieu zu sagen, reichte sie mit die Hand in der etwas brüsken Art mit weit vorgestrecktem Arm und zurückgezogenen Schultern, die sie einst am Strand von Balbec an sich gehabt und seither nie wieder angewendet hatte. Diese vergessene Bewegung machte aus dem Körper, dessen unmittelbarer Ausdruck sie war, den jener Albertine aus der Zeit, da sie mich noch nicht kannte, sie gab ihr, die dann unter einer Miene der Unbefangenheit nahezu feierlich wirkte, ihre erste Neuheit, das Unbekannte, ja sogar den Rahmen von dazumal zurück. Ich sah das Meer hinter dem jungen Mädchen [...].
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3006f

Herr Beckett ist tatsächlich zu beneiden. Jedenfalls kam mir einst dieser Gedanke, als ich seinen Essay Proust las, in dem er vollkommen aus dem Gedächtnis zitiert außer vielen anderen Gegenenheiten auch eine (seiner Meinung nach) vollständige Liste von Ereignissen des mémoire involontaire anführt.

Ich verfüge nicht über ein solches Gedächtnis (aber Herr Beckett hatte auch noch kein Weblog). Ob er die oben zitierte Gegebenheit tatsächlich erwähnt hat, kann ich leider im Moment nicht sagen, denn weder habe ich sein Essay in meinem Bücherregal stehen oder im Moment aus der Bibliothek ausgeliehen, noch finde ich den Text online (was schade ist).

Nichtsdestoweniger fand ich den Ausschnitt magisch -- die Erinnerung an Vergessenes, ein Wiederauferstehen einer verlorenen Zeit.
And by way of farewell she held out her hand to me in that abrupt fashion, the arm outstretched, the shoulders thrust back, which she used to adopt on the beach at Balbec and had since then entirely abandoned. This forgotten gesture retransformed the body which it animated into that of the Albertine who as yet scarcely knew me. It restored to Albertine, ceremonious beneath an air of rudeness, her first novelty, her strangeness, even her setting. I saw the sea behind this girl.
-- The Captive

I do envy Mr Beckett. At least that's what I felt when I read his essay Proust, in which he quotes - apart from other things - a (in his opinion) complete list of occurrances of mémoire involontaire, entirely from his memory.

I am not indued with this kind of a capacity for remembering (but Mr Beckett, on the other hand, didn't run a weblog). Whether he really mentioned the lines quoted above I cannot say at the moment, because neither do I have his essay on my bookshelf or borrowed from a public library at the moment, nor do I find the text online (which is a pity).

Nonetheless I found the passage magical -- remembrance of things long-forgotten, a resurrection of a time lost.

Saturday, 26. August 2006

The Existence of a Cat

Die Welt ist wahr für uns alle, doch verschieden für jeden einzelnen. Wenn wir uns nicht zugunsten eines ordendlichen Ablaufs dieser Erzählung gezwungen sähen, uns auf oberflächliche Gründe zu beschränken, würden weit ernstere uns erlauben, die trügerische Unzulänglichkeit der ersten Seiten dieses Bandes nachzuweisen, in denen ich von meinem Bett aus das Erwachen der Welt teils bei diesem, teils bei jenem Wetter erlebe. Ja, ich war gezwungen, die Dinge zu vereinfachen und zu fälschen, denn nicht eine Welt, sondern tausend Welten, fast ebenso viele wie es Augenpaare und denkende Hirne gibt, erwachen jeden Morgen.
-- Die Gefangene, Bd. 8, S. 3004

Tatsächlich ist die Beobachtung, dass wir uns doch irgendwie über die Welt unterhalten können, ein deutlicher Hinweis, dass es sie gibt (einmal außerhalb der Vorstellung, die wir von ihr haben, betrachtet). Betrand Russell führt dieses Argument in ähnlicher Weise z.B. in Probleme der Philosophie aus (siehe die Geschichte mit der Katze).

Die eigentliche Frage der Kunst bei Proust scheint zu sein: wie können wir das, welches unsere Welt ausmacht kommunizieren, wenn es doch niemand im klassischen Sinne verstehen kann? Wie können wir einen anderen Menschen unsere Welt sehen lassen?

Das mag nur sehr eingeschränkt möglich sein, wie der Erzähler hier zugibt, gleichzeitig wieder ein bisschen seiner wahren Identität als Autor verratend. Aber es ist für Proust das, was Kunst wirklich ausmacht -- die Welt durch andere Augen zu sehen, wie er es in einem meiner absoluten Lieblingszitate aus der Recherche herausstellt.

Noch erschreckender ist es nur, wie wenig sich all unsere eigenen Welten, wie wir sie nacheinander erleben, gleichen.
The universe is true for us all and dissimilar to each of us. If we were not obliged, to preserve the continuity of our story, to confine ourselves to frivolous reasons, how many more serious reasons would permit us to demonstrate the falsehood and flimsiness of the opening pages of this volume in which, from my bed, I hear the world awake, now to one sort of weather, now to another. Yes, I have been forced to whittle down the facts, and to be a liar, but it is not one universe, there are millions, almost as many as the number of human eyes and brains in existence, that awake every morning.
-- The Captive

The observation that we can actually somehow have a conversation about the world is a good piece of evidence that the world does in a way exist (apart from the perception we have of it). Betrand Russell develops this argument in a slightly different way in The Problems of Philosophy (see the story about a cat).

For Proust, the real question of art seems to be: how can we communicate that which is distictive of our world when nobody can understand it in the classical sense of the word? How can we let another human being see our world?

This may only be possible to a very limited extent, as the narrator admits, at the same time telling us a little more about his true identity as a writer. But it is for Proust what really makes art interesting -- to see the world through other eyes, as he puts it in one of my favourite quotations from the Recherche.

How much more scary it is, though, how different our very own worlds are, as we percieve them one after the other.

Proust Blog

Reading A La Recherche Du Temps Perdu

Users Status

You are not logged in.

Empfohlene Literatur

Sie mögen diese Seite? Vielleicht wäre dann Bottons Buch über die Recherche etwas für Sie...
Auch gut geeignet als Geschenkidee!
Oder, wenn Sie noch keine Ausgabe der Recherche besitzen, die konkurrenzlos günstige Jubiläumsausgabe in drei Bänden:

Oder die Ausgabe von Suhrkamp in zehn kleinen Bänden, auf denen diese Seite aufbaut:

Navigation

Recent Updates

Bahn nach Balbec
Neulich im Intercity von Augsburg nach München ......
danielgruen - 10. Mar, 14:30
Everything's connected
Ich glaube ich bring's nicht fertig -- die letzten...
danielgruen - 29. Oct, 00:04
I do know the end of...
I do know the end of story. It is a 'must have' to...
Marc (guest) - 9. Aug, 15:53
Hi Webcowgirl, yeah,...
Hi Webcowgirl, yeah, we Proust bloggers are slowly...
danielgruen - 24. Jan, 23:05
Another Proust blogger!
How exciting to find another Proust blogger! You have...
Webcowgirl (guest) - 18. Jan, 13:43

Search

 

Status

Online for 6964 days
Last update: 10. Mar, 14:31

Credits



Profil
Logout
Subscribe Weblog